Themenabend Humanistisch-säkulares Forum
Datum: Dienstag, 14. Mai 2024, ab 19.30 Uhr
Ort: Restaurant Obergass, Schulgasse 1, www.restaurant-obergass.ch
Thema: Warum gibt es gescheite Leute, die noch an Gott glauben?
(Antworten aus dem Buch von Pfarrer Hendrikse, welcher selbst nicht
an Gott glaubte)
Themenabend / Humanistisch-säkulares Forum, Restaurant Obergass, Winterthur
Antworten aus dem Buch von Pfarrer Hendrikse, welcher selbst nicht an Gott glaubte, von Olivier Braun, Mitglied FVS
Eventbericht:
Olivier Braun machte eingangs klar, warum er das Thema zu diesem Themenabend gewählt hat. Er hat einen älteren Bruder, der die gleiche religiöse Kinderstube wie er erlebt hat und ebenfalls während 8 Jahren in einem Jesuiteninternat in Österreich das Gymnasium besucht hat. Im Gegensatz zu Olivier hat sich sein Bruder immer mehr der katholischen Glaubensrichtung zugewandt. Nach der Matura entschied er sich, dem Noviziat beizutreten, um ebenfalls Jesuit zu werden. Nach einem Jahr haben ihm die Jesuiten jedoch mitgeteilt, dass er für eine solche Entscheidung noch nicht reif genug sei.
Er hat anschliessend an der Uni Fribourg Geschichte studiert und auf diesem Gebiet doktoriert. Er hat geheiratet und mit seiner Frau vier Kinder grossgezogen. Seine an Alzheimer erkrankte Frau hat er bis zu ihrem Tod im Jahr 2021 bei sich zuhause gepflegt. Er sah dies als eine von Gott gewollte und für ihn vorgesehene Aufgabe an.
Olivier hat die Ausrichtung seines Bruders auf die Glaubenssätze der katholischen Kirche nie verstanden, da er selbst sehr schnell nach der Matura zur Auffassung kam, dass es sich bei den in der Bibel aufgeführten Geschichten um grösstenteils erfundene Erzählungen handelte und dass Gott nicht existierte. Trotzdem hat er seinen Bruder gern. Er wollte verstehen, warum sich sein Bruder, den er als intelligent wahrnahm, derart fest am katholischen Glauben festhielt. Diesbezüglich hat Olivier im Buch «Glauben an einen Gott, den es nicht gibt» von Klaas Hendikse einige Hilfestellungen für ein besseres Verständnis gefunden.
Klaas Hendrikse ist in atheistischer Familie aufgewachsen. Sein Vater war Tierarzt, den er oft auf seinen Touren zu den Bauernfamilien begleitet hat. Er war beeindruckt von ihrer Fähigkeit, das Leben so zu nehmen, wie es war und das Beste daraus zu machen. Diese Bauern haben felsenfest an Gott geglaubt und waren derart überzeugend, dass er sich sagte: Der Glaube dieser Männer und Frauen kann nicht Unsinn sein. Er absolvierte den Militärdienst, studierte Wirtschaft und arbeitete 10 Jahre in der Industrie. Erst als er verheiratet und etabliert war, fragte er sich erneut:
–> Was ist so anders bei den Gläubigen?
–> Und wenn es diesen Gott, an den sie glauben, gar nicht gibt, was kann dieser Gott dann noch bewirken?
Kurzum, er begann als 30-Jähriger Theologie zu studieren. Er begeisterte sich für das Pfarramt und fand sogar eine Gemeinde, die ihn als atheistischer Pfarrer anstellte.
Als 60-Jähriger, nach 25-jähriger Tätigkeit als Pfarrer, hat Klaas Hendrikse seine Erfahrungen als atheistischer Pfarrer in einem Buch festgehalten. Im 1. Teil des Buches schreibt er über Menschen, die sich als Atheisten bezeichnen. Mit den Atheisten sagt Klaas Hendrikse: Gott gibt es nicht. Für Atheisten ist die Angelegenheit erledigt. Nicht aber für ihn.
Die wenigsten Menschen glauben, dass es einen Gott gibt. Trotzdem glauben sie an etwas und verbleiben in der Kirche. Um das geht es im 2. Buchteil. Er hat festgestellt, dass jeder Mensch unterschiedliche Vorstellungen hat, was göttlich ist, entsprechend dem, was jemand im Verlauf des Lebens gelernt oder erfahren hat. Bedeutend sind vor allem Begegnungen mit anderen Menschen, die einen ansprechen oder etwas in einen auslösen.
Im 3. Buchteil geht er auf seine Arbeit als atheistischer Pfarrer ein. Wie kann jemand, der nicht an Gott glaubt, über Gott sprechen? Wie geht man um mit der Bibel, mit der Liturgie und dem Gebet? Kann man bei Krankheit und Tod überhaupt Trost spenden? Das waren Fragen, die ihm oft gestellt wurden. Von einem Pfarrer erwartet man, dass er die Christliche Doktrin verkündet, dass wir Menschen nach dem Tod unsterblich sind. Das konnte Klaas Hendrikse nicht. Aber selbstverständlich liess er jemandem, der an das ewige Leben glaubt, die Illusion.
Im 4. Buchteil geht es um die Kirche der Zukunft. Die Rituale und Lieder stammen alle aus dem Mittelalter. Wenn man in der Kirche eine Frage des 21. Jahrhunderts stellt, erhält man immer noch eine Antwort aus dem 16. Jahrhundert. Wenn alles so bleibt wie bisher, werden in ein paar Jahrzehnten nur noch ganz wenige Gläubige dazugehören. Klaas Hendrikse hat versucht, sich mit Vorschlägen in der reformierten Kirche Hollands einzubringen, leider erfolglos. Es fehlt den Kirchenoberen der Wille, die Kirche fundamental zu modernisieren.
Als Fazit aus dem Buch von Klaas Hendrikse sieht Olivier folgende Punkte:
- Fakt ist: Gott gibt es nicht!
- Wenn es zwischen Menschen «funkt», ist eins plus eins manchmal mehr als zwei. Dieses Mehr könnte man vielleicht ganz vorsichtig eine göttliche Erfahrung nennen.
- Nichtgläubige können dieses Mehr auch menschliche Erfahrung nennen.
- Jeder Gläubige hat seine eigene Vorstellung von Gott und vom Glauben. Somit gibt es viele verschiedene Gottesbilder.
Olivier hofft, dass der Themenabend zu einem besseren Verständnis beigetragen hat, warum es gescheite Leute gibt, die immer noch an Gott glauben.